ZusammenReden: Geschlechterverhältnisse und Integration – Migrantinnen aus der Isolation holen

Utl.: Lebhafte Auftaktveranstaltung der Caritas-Gesprächsreihe „ZusammenReden“ in Tulln

Ein interessiertes Publikum verfolgte am 15. März den ersten von vier Themenabenden der Tullner Integrationsgespräche „ZusammenReden“. Die Gesprächsreihe wird von der Caritas der Erzdiözese Wien (Asyl und Integration NÖ) gemeinsam mit der Gemeinde Tulln veranstaltet. Nach der Eröffnung der Veranstaltung im Minoritensaal des Rathauses durch Vizebürgermeisterin Susanne Schimek diskutierte eine Expertinnenrunde über die Rolle von Geschlechterverhältnissen für die Integration von MigrantInnen: Svitlana Schaffer vom Russisch-Österreichischen Kulturverein, Anna Prost von *peppa, dem Interkulturellen Mädchenzentrum der Caritas und die Menschenrechtsaktivistin Joana Adesuwa Reiterer. Der Abend wurde von der Politikwissenschaftlerin Ewa Dziedzic moderiert, Mitinitiatorin von MIGAY, der ersten Zeitschrift für homosexuelle MigrantInnen.

Schaffer strich gleich zu Beginn des Abends heraus: „Frauen mit Migrationshintergrund müssen aus der Isolation geholt werden. Informationsaustausch und Vernetzung in der eigenen Sprache – das ist besonders wichtig.“ Die prominente Liga-Menschenrechtspreisträgerin Reiterer setzt sich mit ihrem Verein Exit für Frauen aus Nigeria ein, die Opfer von Menschenhandel geworden sind. Sie ist sich sicher: „Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen sich ändern.“ Die Aufenthaltsberechtigung von Frauen dürfe nicht vom Aufenthalt des Ehemannes abhängig sein. Die Frauen wissen: Lasse ich mich scheiden, muss ich das Land verlassen. „Frauen mit Migrationshintergrund haben in der Öffentlichkeit kein Gesicht“, kritisierte sie. Anna Prost arbeitet bei *peppa mit jungen Mädchen zusammen. Sie wies darauf hin, dass Mädchen mit Migrationshintergrund gleich mehrfach diskriminiert werden: „Erstens weil sie Mädchen sind, zweitens weil sie Frauen sind, drittens weil sie Migrantinnen sind.“ Debatten rund um das Thema Zwangsverheiratung junger Frauen würden ihr Meinung nach zu oft dazu benutzt, MigrantInnen zu stigmatisieren. Es mangle an ausreichenden Betreuungsangeboten. Svitlana Schaffer sorgte anschließend – das Verhältnis von Männern und Frauen betreffend – mit dem ukrainischen Sprichwort: „Ein Mann ist der Kopf, eine Frau aber sein Hals“ für Widerspruch am Podium und eine rege Diskussion im Publikum. Moderatorin Ewa Dziedzic war überzeugt: „Nur wenn jede und jeder von uns seinen eigenen Kopf und Hals besitzt, kann respektvolles Miteinander funktionieren.“ Für Caritas-Projektleiterin Mary Kreutzer passte Dziedzics Bild gut zum Thema Integration: diese sei nur mit Chancengleichheit und Begegnung auf gleicher Augenhöhe möglich, alles andere sei zum Scheitern verurteilt.

Das nächste „ZusammenReden in Tulln“ findet am 17. Mai 2011 im Minoritensaal des Rathauses statt. Die bosnisch-österreichische Politikwissenschaftlerin Dunja Larise diskutiert gemeinsam mit Ersan Palaz (Türkisch-Islamische Kultusgemeinde ATIB), Nikolaus Vidovic, Pfarrer von St. Stephan in Tulln, und dem Betriebsseelsorger Sepp Gruber über die Frage „Ist Religion überhaupt eine Frage für die Integration?“ Moderiert wird der Abend von Wolfgang Machreich, Autor und langjähriger Redakteur der Furche.

Die Veranstaltungsreihe „ZusammenReden“ wird vom Land Niederösterreich, dem Bundesministerium für Inneres und dem Europäischen Integrationsfonds gefördert. Detailliertes Programm unter: www.zusammenreden.net/tulln